Fachinhalte

Dieses Positionspapier soll Impulse geben für die Modifizierung der Ausbildungsstruktur im Fach Verkehrswesen im Hauptstudium und Schwerpunkt-/ Vertiefungsstudium (in der Regel in einem Fachbereich Bauingenieurwesen). Die Ausbildungsstruktur ist den veränderten Rahmenbedingungen des Berufsfeldes und der Gesellschaft ständig anzupassen.
Konzepte zur Neuorientierung des Gesamtstudienaufbaus sind in dem vorliegenden Papier ausdrücklich nicht entwickelt worden. Nach erreichtem Konsens über das hier formulierte Ausbildungsprofil Verkehrswesen kann die Einbindung der Lehrinhalte des Verkehrswesens in den Gesamtstudienaufbau als Zielvorstellung formuliert werden. Die vom Fachbereichstag Bauingenieurwesen am 20./21. Oktober 1994 beschlossenen Studienziele und Lehrinhalte des Kernstudiums werden nach Inhalt und Umfang vorausgesetzt.

Wie in anderen Fachgebieten des Bauingenieurwesens ist es auch im Verkehrswesen unstrittig, daß es Spezialisten für einzelne Schwerpunkte. gibt. Ein Fachkollege/ eine Fachkollegin kann nicht die gesamte Palette der Fachinhalte abdecken. Es haben sich vielmehr folgende Schwerpunkte der Studien- und Lehrinhalte herausgebildet:

Nicht jeder Aspekt benötigt eine hauptamtliche Betreuung, d.h. über Umfang und Intensität der Beschäftigung von Lehrbeauftragten muß fachhochschulspezifisch und fallweise entschieden werden.
Auch der Lehrimport von inhaltlich und räumlich benachbarten Fachbereichen, wie Architektur, Fahrzeugbau, Wirtschaft hat sich bewährt und kann als interdisziplinärer Arbeitsansatz empfohlen werden. Die Lehrinhalte Wirtschaftlichkeit, Verkehrssicherheit, und Umweltverträglichkeit sollen in den einzelnen Lehrgebieten integriert behandelt werden. Damit wird verdeutlicht, daß Ingenieurlösungen im Verkehrswesen erfolgreich nur unter Beachtung dieser Aspekte möglich und verantwortbar sind.

Unbestritten notwendig ist eine grundlagenbasierte und praxisorientierte Ausbildung. Um hier gezielt vorgehen zu können, bietet sich ein Projektstudium über mehrere Semester an, mit einem begleitenden praktischen Bearbeitungsbeispiel. Dieses Vorgehen würde sich auch als Vorbereitung auf die Praxissemester positiv auswirken.
Da das Verkehrswesen immer komplexer wird und sich ein Umsetzungsstau abzeichnet, müssen Verkehrsingenieure immer häufiger die Rolle eines Moderators übernehmen und zwischen Verwaltung, Politik, Bürgergruppen und Interessenvertretungen vermitteln. Zumindest im Vertiefungs- oder Schwerpunktstudium sollten Aufgabenstellungen und Lehrformen darauf abgestimmt sein.

Das Stundenkontingent für das Fach „Verkehrswesen“ sollte im Hauptstudium und im Vertiefer- oder Schwerpunktbereich eine Mindestanzahl von Semesterwochenstunden aufweisen. Über die Anzahl der zu empfehlenden erforderlichen Stunden muß im Fachausschuß und auf dem Fachbereichstag Konsens hergestellt werden. Eine Umfrage (1997, bei den Mitgliedern des Fachausschusses) über das Lehrangebot im Verkehrswesen an den Fachhochschulen in Deutschland zeigt, daß die Spannweite groß und das Angebot an einzelnen Fächern sehr unterschiedlich sind. Als Mittelwerte haben sich 10 SWS für das Kernstudium (Hauptstudium) und 15 SWS für das Schwerpunkt- / Vertieferstudium ergeben.

Bauingenieure im Verkehrswesen beschäftigen sich vorrangig mit Planung, Entwurf, Bau, Betrieb und Erhaltung von Verkehrsanlagen aller Verkehrssysteme. Die Komplexität der Aufgaben unter Beachtung von übergreifenden Gesamtplanungen aus den Bereichen der Stadt-, Regional- und Landesplanung, aber auch die Notwendigkeit einer koordinierten Systembetrachtung machen es erforderlich, dem veränderten Berufsbild durch eine Neustrukturierung des Studiengebietes zu entsprechen. Hierbei soll es nicht um die Entwicklung von modernistischen Studieninhalten gehen, vielmehr wird eine laufende Vorausorientierung an das künftige Verkehrswesen in Form eines prozeßhaften Vorgehens als notwendig angesehen.
Den Studierenden mit Neigung zum Verkehrswesen sollen ein praxisgerechter Berufseinstieg und breite Bewerbungsmöglichkeiten ermöglicht werden. Daher gilt es, Bauingenieure im Verkehrswesen so auszubilden, daß sie den vielfältigen Verflechtungen im Verkehrswesen gerecht werden, indem sie die Wirklichkeit nicht linear, sondern in einem Wirkungsnetz abgebildet begreifen (vernetzter Ansatz) und die Gesamtheit der Möglichkeiten zur Problemlösung erfassen können (ganzheitlicher Ansatz).

So ist zum Beispiel eine verstärkte, von Fachinhalten und einer kooperativen Struktur geprägte, Beratungsnotwendigkeit bei den Verwaltungen und Investoren festzustellen. Die Öffnung des Arbeitsmarktes in die Länder der EU und darüber hinaus bedingt neue Ausbildungsinhalte rechtlicher und normativer Art; z.B. gibt es seit 1990 eine „Internationale Erklärung und Vereinbarung“ des Europäischen Rates der Stadt- und Verkehrsplaner ERS / ECTP mit der dringenden Aufforderung, Städtebau und Verkehr als Einheit für ein Lehrangebot aufzufassen.
Die berufsständischen Vereinigungen und andere im Transport- und Verkehrsbereich tätige Gruppierungen erwarten eine erhebliche Nachfrage nach Bauingenieuren im Verkehrswesen mit einem dem weiterentwickelten Berufsfeld angemessenen Ausbildungsprofil.

Das Beherrschen und Anwenden der anerkannten Regeln der Technik – vorgegeben und ständig weiter entwickelt durch Richtlinien und Empfehlungen – muß nach wie vor als ein Oberziel der Wissensvermittlung angesehen werden. Allerdings dürfen sich die Ausbildungsanforderungen nicht nur auf die rein fachliche Qualifikation stützen. Gerade vor dem Hintergrund einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Ausbildung sind verstärkt die sogenannten Schlüsselqualifikationen wie Kommunikations-, Kooperations- und Koordinationskompetenz zu vermitteln. Hochspezialisierte Fachinhalte sollten der beruflichen Weiterbildung überlassen bleiben.
Vor dem Hintergrund der Globalisierung der Märkte sind die interkulturellen und inter-disziplinären Kompetenzen zu stärken. Gerade die inhaltliche und methodische Komplexität des Berufsfeldes erfordert eine Verknüpfung mit verkehrsrelevanten Fachdisziplinen wie der Psychologie, den Sozialwissenschaften und im besonderen Maße dem Städtebau, aber auch der Informatik und Gerätetechnik (Stichworte: Telematik, ITS).
Die Anforderungen und die übergeordneten Grundsätze des Ausbildungsprofils, die bei einer Neuorientierung des Fachgebietes Verkehrswesen beachtet werden sollten, sind:

Bereits im Grundstudium sollte ein Angebot mit der Bezeichnung Grundlagen der Infrastrukturplanung (oder ähnlicher Bezeichnung) vorgesehen werden, das die grundlegende Bedeutung des Fachgebietes Verkehrswesen im Berufsfeld des Bauingenieurwesens in der erforderlichen Intensität verdeutlicht.
Die Aufteilung der nachfolgend skizzierten Inhalte auf Haupt- und Schwerpunkt-/ Vertiefungsstudium muß unter Berücksichtigung der jeweiligen fachhochschulspezifischen Strukturen und Organisationsformen entschieden werden und deshalb im Hinblick auf die begrüßenswerte Vielfalt des Lehrangebotes offen bleiben.

Die grundsätzliche Aufgabe der Gesta1tung der räumlichen Umwelt macht es erforderlich, das Studienangebot um den Bereich Stadtplanung/ Städtebau und Verkehr zu erweitern. Auch wird empfohlen, die „klassischen“ Inhalte des Schienenverkehrs in den Bereich Öffentliche Verkehrssysteme zu integrieren, so daß dort sowohl linienhafte Schienenverkehrsaspekte als auch flächenerschließende ÖV – Inhalte zusammengefaßt werden können. Weitere Schwerpunkte können sich aus regionalen Besonderheiten ergeben (z.B. Wasserstraßen/ Hafenbau, Flughafenplanung). Überschneidungen oder fehlende Stichworte sind bei der knappen Auflistung unvermeidlich. Auch hier gilt, daß die konkrete Ausfüllung Aufgabe der einzelnen Hochschule bleibt